Für Ärzte
Für Ärzte - Abortneigung
Für das Auftreten (habitueller) Aborte sind zahlreiche Ursachen bekannt, wobei prinzipiell mütterliche und kindliche Faktoren zu unterscheiden sind. Neben gynäkologischen, endokrinen, autoimmunen, infektiösen und genetischen Faktoren kann eine Abortneigung auch mit Gerinnungsstörungen assoziiert sein.
Insbesondere ist eine Assoziation hereditärer thrombophiler Risikofaktoren wie Faktor V Leiden-Mutation (Faktor V G1691A), die Prothrombinmutation (Faktor II G20210A), Protein C-, Protein S- und Antithrombinmangel mit der Abortneigung beschrieben. Von großer klinischer Relevanz im Hinblick auf eine Abortneigung ist das Antiphospholipidsyndrom; es handelt sich um eine erworbene thrombophile Hämostasestörung, die als eigenständiges Krankheitsbild (primäres Antiphospholipidsyndrom) oder als Begleitphänomen im Rahmen anderer Erkrankungen, etwa des systemischen Lupus erythematodes auftreten kann (sekundäres Antiphospholipidsyndrom). Neben einer Neigung zu venösen und arteriellen thrombotischen Ereignissen ist das Antiphospholipidsyndrom durch das Auftreten von Schwangerschaftskomplikationen wie (Prä)eklampsie und HELLP-Syndrom sowie mit singulären Aborten und wiederholten Spontanaborten assoziiert. Die Diagnosestellung ist von hoher klinischer Relevanz, da ohne Behandlung das Risiko für weitere Aborte hoch ist, während das Abortrisiko durch eine adäquate antithrombotische Medikation erheblich reduziert werden kann. Bei hereditärer oder erworbener Thrombophilie werden häufig parenterale Antikoagulanzien, insbesondere niedermolekulare Heparine (NMH), und ggf. ASS therapeutisch eingesetzt.
Weniger bekannt ist, dass auch Gerinnungsstörungen, die für eine Blutungsneigung prädisponieren (hämorrhagische Diathesen) mit einer Abortneigung einhergehen können; dies ist etwa für den Faktor XIII-Mangel und Störungen von Fibrinogen (Hypo-/Dysfibrinogenämie) bekannt. In diesen Fällen kann ggf. eine Substitution des verminderten oder funktionsgestörten Gerinnungsfaktors zielführend sein.
Eine Abklärung im Hinblick auf Gerinnungsstörungen ist nach Auftreten von 2-3 Frühaborten unklarer Genese anzuraten. Aufgrund der aktuellen klinischen Diagnosekriterien des Antiphospholipidsyndroms und den sich ergebenden therapeutischen Konsequenzen bei Diagnosestellung ist ferner eine entsprechende Diagnostik bereits nach einem Abort nach der 10. Schwangerschaftswoche bei ansonsten unauffälligem Fetus sowie nach mindestens einer Frühgeburt vor der 34. Schwangerschaftswoche aufgrund einer (Prä)eklampsie oder einer schwerwiegenden Plazentainsuffizienz gerechtfertigt. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Abklärung im Hinblick auf eine Abortneigung elektiv vor Eintritt einer erneuten Schwangerschaft durchgeführt werden sollte; eine Vorstellung im Rahmen einer bereits bestehenden erneuten Schwangerschaft können therapeutische Maßnahmen erst verzögert eingeleitet werden, was den Therapieerfolg vermindern kann.
Bei Nachweis einer Gerinnungsstörung bieten wir in Zusammenarbeit mit den betreuenden Gynäkologen eine hämostaseologische Betreuung der Schwangeren an. Wir leiten dann entsprechende therapeutische Maßnahmen, etwa antithrombotische Medikation oder Gabe von Gerinnungsfaktoren, ein und betreuen die Patientinnen im Rahmen der Schwangerschaft mit. Zu Beginn und zum Ende der Schwangerschaft wird ein ausführlicher Befundbericht erstellt, in dem das therapeutische Vorgehen aufgezeigt wird.
In diesem Zusammenhang ist nochmals dringlich von einer ungezielten "blinden" Behandlung der Abortneigung mit niedermolekularen Heparinen oder ASS bei Fehlgeburten ohne entsprechende vorherige Abklärung abzuraten! Für eine entsprechende antithrombotische Medikation zur Abortprophylaxe besteht bei Fehlen einer risikoassoziierten thrombophilen Hämostasestörung keine Indikation, insofern keine sonstigen Gründe für eine antithrombotische Medikation (Reduktion des Thromboserisikos als Primär- oder Sekundärprophylaxe) vorliegen!